Die Wiener Börse erlebt in diesem Jahr ihr 250-jähriges Bestehen und ist damit eine der ältesten Börsen der Welt. Als zentraler Marktplatz für die Preisermittlung von Wertpapieren will sie auch heute noch Vertrauen und Transparenz bei den zahlreichen internationalen Anlegern schaffen. Dies ist nur ein Grund, einen Blick zurück auf die glorreichen Anfänge zu werfen und die turbulente Entwicklung der Wiener Börse bis heute einmal in Augenschein zu nehmen: von ihrer lang ersehnten Gründung und dem schnellen Aufstieg zum größten Aktienmarkt der Welt über den sich auf gut einhundert Jahre auswirkenden Gründerkrach bis zur umfassenden Modernisierung in der heutigen Zeit.
Das Erbe der Kaiserin Maria-Theresia
Die beliebte Kaiserin Maria-Theresia hat in ihrer Regentschaft von 1740 bis 1780 das Leben in Österreich bis heute maßgeblich geprägt. Viele umfassende Regelungen, die auch heute noch gelten, gehen auf sie zurück, so etwa das Bürgerliche Gesetzbuch und die allgemeine Schulpflicht. Der Handel mit Wertpapieren an der Wiener Börse, der nach etwa zehn jahrelangen Bestrebungen am 2. September 1771 startete, war ein weiterer wichtiger Meilenstein ihrer Erfolge. Zunächst ging es dabei allerdings ausschließlich um Schuldverschreibungen. Nach französischem Modell wurde zur staatlichen Kapitalaufbringung eine Zwangsbörse ins Leben gerufen. Zu dieser Zeit wurde der Handel noch persönlich von Angesicht zu Angesicht betrieben, nicht digital wie heute.
Der reibungslose Handel an der Wiener Börse wurde durch sogenannte Sensale, heute Börsenmakler genannt, garantiert, die schon damals für die Vermittlung von Geschäften eine Provision erhielten. Die Wechselkurse wurden somit offiziell festgesetzt.
Im Jahr 1811 kam es zum österreichischen Staatsbankrott, was zur Folge hatte, dass erst im Jahre 1818 durch die zwei Jahre zuvor neu gegründete Oesterreichische Nationalbank die erste Aktie an der Wiener Börse notiert wurde. Zu den ersten Aktionären gehörte niemand geringerer als Ludwig van Beethoven. Im Jahre 1819 erwarb er acht Aktien der Öesterreichischen Nationalbank.
Der Gründerboom
Die Gründung von Aktiengesellschaften nahm aufgrund der großen wirtschaftspolitischen Bedeutung der Habsburger Monarchie in Österreich-Ungarn zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu, wovon in erster Linie die Verkehrs- und Transportbranche, wie die Eisenbahn- und Dampfschifffahrt, profitierte. Aus diesem Sektor kam beispielsweise die Erstnotiz einer Auslandsaktie, und zwar handelte es sich um die Suezkanalgesellschaft im Jahre 1856.
Den ersten Schritt in Richtung einer autonomen Börse ging man mit der Gründung der Börsenkammer im Jahre 1855. Dies wurde mit dem Inkrafttreten eines neuen Börsenpatents untermauert. Der Staat regelte fortan nur noch den Rahmen, das Börsengesetz. Administrative und gerichtliche Funktionen wurden von der Börsenkammer selbst übernommen, die aus 18 Mitgliedern bestand. Nun gewannen die Wertpapiere privater Unternehmen neben den Staatsanleihen an Bedeutung. Da immer mehr Wertpapiere notiert und gehandelt wurden, öffnete sich der Habsburger Monarchie auch der Zugriff auf ausländische Investoren.
Liberalismus in Österreich-Ungarn
Zum Ende der 1860er Jahre, die vom Wirtschaftsliberalismus geprägte Gründerzeit, war der Gang eines Unternehmens wie 1869 Porr und Wienerberger zur Börse bereits alltäglich. Der Aufschwung dauerte bis 1872 und animierte zahlreiche Unternehmen zu diesem Schritt.
In dieser Zeit machte Österreich-Ungarn unter anderem seinen Einfluss auf den Bau eines Schifffahrtskanals in Ägypten geltend, begann mit der Einführung von Auslandstiteln auf regulierter Basis, nachdem ein Antrag des Frankfurter Bankvereins eingegangen war. Die „Italienische Rente“ gehörte zu den ersten Auslandsnotizen mittels förmlichen Antrags.
Die Wiener Börse und der Gründerkrach
Die im Jahre 1873 abgehaltene Wiener Weltausstellung war einer der Funken, durch die eine Spekulationsblase den weltweit größten Aktienmarkt in Wien erfasste. Sie platzte am 9. Mai 1873, dem sogenannten schwarzen Freitag der Wiener Börse, nachdem sich die hohen Erwartungen der Aktionäre nicht erfüllt hatten und immer mehr Aktiengesellschaften in Schwierigkeiten geraten waren. Gut 120 Aktiengesellschaften wurden in der Folge insolvent und der zum Gründerkrach gewordene Gründerboom erfasste auch die Berliner und die New Yorker Börse. Die Wiener Weltausstellung trug ihren Teil zum Krach bei, als nur gut ein Drittel der erwarteten 20 Millionen Besucher kamen. Ursächlich dafür war neben einem einsetzenden Dauerregen auch das undichte Dach des Ausstellungsgeländes. Ein eilig installierter Aufzug blieb zudem bei der Probefahrt stecken und die Cholera brach in Wien aus: mit anderen Worten eine absolute Katastrophe, die nicht folgenlos blieb.
Rezession und Depression
Einer deutlichen Rezession folgte der wirtschaftliche Stillstand mit zunehmender Arbeitslosigkeit in Österreich. Fortan griff die Politik wieder stärker in die vom Liberalismus geprägte Wirtschaft ein. Parallel dazu machte sich in der Bevölkerung eine Feindseligkeit breit gegen den Kapitalmarkt, die sich noch lange halten sollte. Im Jahre 1877 zog die Wiener Börse in das neue Börsengebäude am Wiener Schottenring.
Nach dem Ende der Monarchie
Nach dem Ersten Weltkrieg kam hinzu, dass die Wiener Börse nur noch zu einem kleinen Nationalstaat ohne Monarchie gehörte. Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das Gebäude der Wiener Börse durch eine Bombe schwer beschädigt.
Ein Brand im Jahre 1956 setzte der Wiener Börse erneut zu, die erst drei Jahre später wiedereröffnet werden konnte.
Es war Jim Rogers, der die Wiener Börse wieder zu neuem Glanze bringen sollte, ein einflussreicher Investor aus den USA. Er sorgte nicht nur für einen langanhaltenden Boom in dem international bis dahin bedeutungslosen Markt, sondern prägte auch den Wandel der Wiener Börse zu ihrem heutigen Format maßgeblich mit.
Die Wiener Börse heute
Heute stehen Anlegern im „global market“ rund 7200 Wertpapiere aus 26 Ländern zur Verfügung.
Die Wiener Börse hat sich einen einflussreichen Platz unter den anderen großen Spielern im Börsengeschäft zurück erkämpft. Die globale Vernetzung eröffnet neue Möglichkeiten, sodass mittels der Aktien Österreich wieder einen Namen in der Welt der Finanzen erhalten hat.
Internationale Finanzkrisen und platzende Spekulationsblasen erschüttern immer wieder den Aktienmarkt und machen auch vor der Wiener Börse nicht halt. So waren auch im Jahre 2008 die weltweiten Erschütterungen an der Wiener Börse zu spüren. Doch eine vorausschauende Politik, die Flexibilität der Aktionäre und die innovative Ausrichtung helfen, die Wiener Börse auch für die Zukunft zu wappnen.
Die eindrucksvolle Geschichte, die mit Kaiserin Maria-Theresia begann, zeigt, dass alle Krisen langfristig überstanden werden können und dass Österreich damals wie heute eine Bedeutung in der Welt hat. Auch ohne die alte Habsburger Monarchie ist die Stadt Wien ein idealer und gefragter internstionaler Standort für das internationale Börsengeschehen.